Familiengeschichten sind in den letzten dreißig Jahren besonders unter politisch-historischen Aspekten sowie mit einem erinnerungskulturellen Interesse untersucht worden (insbesondere in Deutschland und Österreich, aber auch in Frankreich). Obwohl die Schweiz in die Zivilisationsbrüche des Zweiten Weltkriegs lediglich verwickelt worden ist, ohne von den Auswirkungen in einem vergleichbaren Ausmaß betroffen zu sein wie ihre Nachbarländer, ist der erinnerungskulturelle Diskurs ebenso relevant für schweizerische Literatur. Im vorliegenden Band stellt sich zunächst die Frage, inwiefern die Modelle, die die Forschung zu Familienroman und Generationenerzählung in anderen Literaturen ermittelt hat, auch für die Literaturen der Schweiz gelten. Dabei eröffnet die Untersuchung eines mehrsprachigen Korpus von deutsch-, französisch-, aber auch italienischsprachigen Erzählungen aus der Schweiz ein Untersuchungsfeld, in dem unterschiedliche literarische Traditionen in eine gemeinsame nationalstaatliche Perspektive gestellt werden. Konkret untersuchen die Beiträge im vorliegenden Band, wie Familiengeschichten im Spektrum der schweizerischen Literaturen erzählt werden. Dabei steht die Frage im Raum, ob die Schweizer Gegenwartsliteratur im Hinblick auf die erzählten Familienstrukturen einen Spiegel oder vielleicht einen Zerrspiegel der Schweizer Gesellschaft ergibt.

Veröffentlicht: 2022-12-30